04.05.2020
In seiner Pressemitteilung vom 27.04.2020 warnt das Hamburger Umweltinstitut vor möglichen Gesundheitsgefahren durch Desinfektionsmittel [1]. Die durch das Institut geäußerten Inhalte sind fachlich nicht zu belegen und bedürfen einer inhaltlichen Überprüfung:
«Gesundheitsgefährdende» Inhaltsstoffe in Desinfektionsmitteln
Händedesinfektionsmittel können als Wirkstoffe die Alkohole Ethanol oder Propan-1-ol oder Propan-2-ol (Isopropanol) oder Mischungen davon enthalten. Alkoholbasierte Händedesinfektionsmittel wurden in Deutschland im Rahmen der Arzneimittelzulassung umfassend bewertet. Diese Produkte werden seit Jahrzehnten als Händedesinfektionsmittel eingesetzt.
Es gibt üblicherweise eine Produktvariante mit Duftstoffen und eine duftstofffreie Variante für Anwender mit empfindlicher Haut und Allergiker. Bislang gab es, abgesehen von milden lokalen Reaktionen, keine dokumentierten Hinweise auf krebserzeugende, erbgut- oder fortpflanzungsschädigende Effekte sowie andere gesundheitsschädigende Effekte während oder nach bestimmungsgemäßer Anwendung.
Darüber hinaus wurden Propan-1-ol und Propan-2-ol im Rahmen der Wirkstoffzulassung unter Biozidrecht als sicher bewertet und für die Anwendung in der Händedesinfektion zugelassen. Ethanol wird derzeit ebenfalls unter Biozidrecht bewertet.
Bei bestimmungsgemäßer Anwendung alkoholbasierter Händedesinfektionsmittel sind bisher keine gesundheitsschädigenden Effekte aufgetreten. In der Flächendesinfektion kommen Wirkstoffe zum Einsatz, die irritative und ggf. sensibilisierende bzw. allergieauslösende Eigenschaften haben können. Diese Produkte werden in erster Linie im professionellen Bereich eingesetzt. Es handelt sich dabei um Konzentrate oder gebrauchsfertige Verdünnungen. Die Gebrauchslösungen sind oftmals nicht mehr als Gefahrstoffe eingestuft. Alle erforderlichen Schutzmaßnahmen sind in der jeweiligen Produktinformation und im so genanntem Sicherheitsdatenblatt ausführlich beschrieben. Bei Einhaltung der Anwendungshinweise sind somit keine gesundheitsschädigenden Effekte zu erwarten.
Für private Endverbraucher werden Produkte mit geringerem Risikoprofil (gebrauchsfertige Verdünnungen) angeboten, die ohne weitreichende Schutzmaßnahmen angewendet werden können. Auch hier schützt die Einhaltung der Hinweise auf dem Etikett vor einer gesundheitlichen Gefährdung.
Hautschädigung durch Händedesinfektionsmittel
Die Aussage, dass alkoholbasierte Händedesinfektionsmittel schädlich für die Haut seien, ist nicht korrekt. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass alkoholische Händedesinfektion besser hautverträglich ist als das Händewaschen mit Seife, da beim Waschen Lipide der Haut abgespült werden [2]. Die Hautverträglichkeit gehört neben der geprüften Wirksamkeit zu den wichtigsten Eigenschaften von Händedesinfektionsmitteln.
Händedesinfektionsmittel auf Alkoholbasis werden sowohl von der WHO als auch vom Robert Koch-Institut (RKI) und medizinischen Fachgesellschaften als „Goldstandard“ der Händedesinfektion angesehen [3,4]. Auch das RKI stuft Händedesinfektionsmittel auf Basis von Alkoholen als „deutlich besser hautverträglich als Handwaschpräparate“ ein [5].
Resistenzen gegenüber alkoholischen Händedesinfektionsmitteln
Es sind keine Resistenzen gegenüber Produkten zur alkoholischen Händedesinfektion bekannt. Aufgrund des unspezifischen Wirkmechanismus von Alkoholen ist dies auch nicht zu erwarten. Entsprechend führt die Anwendung von alkoholischen Hände-Desinfektionsmitteln nicht zu einer Selektion von resistenten Bakterien.
Zudem sind alkoholische Händedesinfektionsmittel wirksam gegenüber Antibiotika-resistenten Bakterien. Somit ist die hygienische Händedesinfektion eine überaus wichtige Maßnahme, um die Übertragung von resistenten Erregern zu verhindern.
Hände- und Flächendesinfektion im privaten Umfeld und in öffentlichen Einrichtungen
Produkte zur Hände- und Flächendesinfektion können helfen, eine Infektion mit potenziellen Krankheitserregern zu verhindern, wenn sie gezielt eingesetzt werden. Im Krankenhaus oder in Arztpraxen gehört die Hände- und Flächendesinfektion zur gängigen Praxis. Dabei unterbricht die Händedesinfektion mit alkoholbasierten Händedesinfektionsmitteln die mögliche Erregerübertragung durch die Hände, was wiederum zur Unterbrechung von Infektionsketten beiträgt. Zusätzlich kann durch die Desinfektion von häufig berührten Oberflächen eine indirekte Übertragung von Erregern vermieden werden.
Im privaten Umfeld gibt es ebenfalls spezielle Situationen, in denen Desinfektion vor einer möglichen Ansteckung schützen kann. Beispielsweise im Umgang mit infektionsgefährdeten (z. B. immunsupprimierten) Angehörigen und Freunden [6] und bei bestimmten übertragbaren Infektionskrankheiten wie grippalen Infekten, um das Risiko einer Übertragung auf gesunde Familienmitglieder oder Mitbewohner zu reduzieren [6].
Aber auch im normalen Alltag kann es sinnvoll sein, eine Händedesinfektion als sichere und hautfreundliche Methode zum Schutz vor Infektionen durchzuführen. Etwa nach häufiger Berührung von Flächen in der Öffentlichkeit wie z. B. in öffentlichen Verkehrsmitteln oder wenn berufsbedingt enge und häufige Kontakte zu anderen Personen erfolgen.
Gerade im Zusammenhang mit der aktuellen COVID-19-Pandemie ist eine gute Händehygiene von Bedeutung. Eine Händedesinfektion wird vor allem für solche Momente empfohlen, in denen keine Möglichkeit besteht, die Hände gründlich mit Wasser und Seife zu waschen: Nach dem Einkauf, der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Berühren von häufig benutzten Gegenständen (Einkaufswagen, Geldautomaten, Eingangstüren) kann durch eine Händedesinfektion die mögliche Infektion und Weiterverbreitung des Erregers vermieden werden.
Referenzen:
- http://hamburger-umweltinst.org/Pressemitteilung: Hamburger Umweltinstitut warnt vor Gesundheitsgefahren durch Desinfektionsmittel (27.04.2020)
- Löffler H et al. (2007) How irritant is alcohol? British Journal of Dermatology 157: 74-81.
- WHO Guideline on Hand Hygiene in Healthcare (2009) World Health Organisation.
- Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). 2016, 59:1189-1220.
- Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin Nr. 17, 02. Mai 2016.
- Kampf G, Dettenkofer M. Desinfektionsmaßnahmen im häuslichen Umfeld – was macht wirklich Sinn? Hygiene & Medizin, 2011; 36 (1): 8-11
Wir danken den Mitgliedern des IHO für Ihre wissenschaftliche Expertise:
Astrid Bolten (BODE Chemie GmbH), Dr. Bernhard Meyer (Ecolab Deutschland GmbH), Dr. Hans-Joachim Rödger (Lysoform Dr. Hans Rosemann GmbH), Dr. Katrin Steinhauer (Schülke & Mayr GmbH)
Hier finden Sie die Stellungnahme des IHO zum Download im PDF-Format: