30.09.2020

(You can download a version of this text in English here: 2020-09-30 IHO Statement EGTOP report criteria for the evaluation of products for cleaning and disinfection)

Die EU-Kommission überarbeitet die Verordnung (EU) 2018/848 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen. Gemäß Artikel 24 der Verordnung sollen für die ökologische Verarbeitung von Lebensmitteln zugelassene Chemikalien für Reinigungs- und Desinfektionsmittel in einem Anhang zur Verordnung gelistet werden. Die Expert Group for Technical Advice on Organic Production (EGTOP) berät die EU-Kommission in der Entscheidung im Umgang mit dem Artikel 24 und dessen Anhang. Im Bericht der EGTOP vom Juni 2020 wird nun erstmals Bezug auf bestehende europäische Verordnungen genommen.

Die IHO-Mitglieder begrüßen die Entwicklung – denn diese europäischen Verordnungen, mit Ihren strengen regulatorischen Vorgaben für die gesamte Lieferkette, dienen demselben Zweck, wie der der Verordnung (EU) 2018/848 – zum Schutz von Mensch und Umwelt.

 

Die Herstellung ökologisch/biologisch erzeugter Lebensmittel genießt in der Bevölkerung in Deutschland ein hohes Ansehen und Vertrauen, die Nachfrage steigt. Für alle Bereiche, sowohl der eigentlichen Lebensmittelerzeugung (sog. Primärproduktion – z. B. der Milchbauer), als auch für die Lebensmittelverarbeitung (sog. Sekundärproduktion – z. B. die Käserei), gilt es hohe Hygiene- und Qualitätsstandards einzuhalten. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass insbesondere viele lebensmittelverarbeitende Unternehmen Produktionsprozesse konventionell und ökologisch/biologisch mit denselben Produktionsanlagen betreiben. Um diese Produktionsprozesse voneinander zu trennen, wären vielerorts Um- oder gar Neubauten erforderlich.

  • Eine grundsätzliche Definition der Anwendungsbereiche sowie die Beachtung der örtlichen Gegebenheiten ist deshalb für eine rechtskonforme Umsetzung der Verordnung (EU) 2018/848 unumgänglich.

 

Produkte und Rohstoffe, die in der Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung eingesetzt werden, unterliegen strengen regulatorischen Vorgaben und sind angepasst an Anlagen und Prozesse. Es bedarf

  1. einer wissenschaftlichen, risikobasierten Bewertung der Rohstoffe und Produkte, sowie
  2. verfahrenstechnisches Verständnis über Anlagen und Prozesse

 

Die bestehenden europäischen Verordnungen, wie z. B. Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung), Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP) und insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (BPR) bilden die Basis bzw. Voraussetzung für den 1. Punkt und damit den Zugang zum europäischen Markt.

Die Hersteller der Reinigungs- und Desinfektionsmittel gewährleisten gemäß dem 2. Punkt die Reinigung und Desinfektion angepasst an den Prozess.  Einen Standard setzt hier beispielsweise das Hazard Analysis and Critical Control Point System kurz HACCP, ein präventives Managementsystem zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit, welches international als der effektivste Weg anerkannt ist, um sichere Lebensmittel zu produzieren.

 

  • Grundsätzlich sollten Produkte, die gemäß BPR zugelassen sind, in allen lebensmittelproduzierenden Bereichen eingesetzt werden dürfen, ob konventionell oder ökologisch/biologisch. Gleiches sollte für Reinigungsprodukte, die ein Ecolabel tragen, gelten.
  • Die Bewertung von Produkten muss auf einem grundlegenden Verständnis der Chemie basieren, gestützt durch die Regulierungsentscheidung der EU-Kommission gemäß der oben genannten Verordnungen als eine solide wissenschaftliche Grundlage.
  • Eine Klärung, welche Kriterien für die Bewertung der Substanzen aus Punkt 2.6. im gegenständlichen EGTOP Bericht zugrunde liegen, ist wünschenswert, genau wie eine engere Zusammenarbeit seitens der Gesetzgeber mit Vertretern der professionellen Reinigungs- und Hygieneindustrie.

 

Entscheidungen, die Sauberkeit und Hygiene, oder auch den gesetzgeberischen Fortschritt sowie die Innovationskraft von Unternehmen gefährden, sollten vermieden werden. Im Folgenden werden Beispiele von Rohstoffen und Produkten und die möglichen Folgen potentieller Verbote benannt:

  • Ein Verbot von Enzymen ist höchst problematisch: Enzyme sind natürlich vorkommende Proteine, die eine spezifische Reaktion ausführen und die im Anschluss an die gewünschte Reaktion vollständig abbaubar sind.
  • Phosphonate als Co-Formulatien sind als Stabilisatoren für Peressigsäureprodukte essenziell. Die Essigsäure als organische Säure ist zur Desinfektion in der Lebensmittelproduktion unersetzbar.
  • Gemäß BPR sind Biozidprodukte 10 Jahre zugelassen. Für eine Zulassung gemäß BPR bedarf es, neben den bioziden Wirksamkeitsnachweisen, umfangreicher toxikologischer und ökotoxikologischer Bewertungen, um die Auswirkungen auf Mensch und Natur auf ein Minimum zu reduzieren. Hier ist es aus Sicht der Hersteller bereits eine wissenschaftlich umfangreiche Expertise erstellt und geprüft worden.

Im gegenständlichen EGTOP Bericht wird ausschließlich die Alltagssituation betrachtet. Ein Umgang mit Situationen, die einer sogenannten „Notfall-Regelung“ bedürfen, sind nicht vorgesehen.

 

Fazit
Das Thema Ökologie, Umweltschutz und Nachhaltigkeit ist in der Gesellschaft angekommen, sollte allerdings nicht auf Kosten von Hygiene, Umwelt- und Verbraucherschutz  diskutiert werden. Wichtig ist die richtige Anwendung der Produkte sowie deren Anwendungskonzentration zu beachten – Hygiene ist ein Prozess, kein Produkt.

Download:

2020-09-30 IHO Stellungnahme Egtop Bericht Kriterien für die Bewertung von Produkten zur Reinigung und Desinfektion